Körperorientierte Psychotherapie – Für wen ist das?
Die Gründe für eine Psychotherapie sind vielfältig. Oft sind es innere Leidenszustände, die bereits länger andauern oder immer wiederkehren, wie etwa Ängste, Panikattacken, innere Unruhe, Schlafstörungen, Depressionen, Zwangserkrankungen, Essstörungen oder Suchterkrankungen. Überdies führen andauernde Lebenskrisen, Beziehungsprobleme und Probleme in Partnerschaft oder Ehe zu Leidensdruck. Auch bei chronischen Erkrankungen und psychosomatischen Beschwerden, für die keine ausschließliche körperliche Ursache gefunden wird, wie beispielsweise bei Kopf- oder Rückenschmerzen, Haut-, Herz-, Magen- und Darmbeschwerden, aber auch bei Allergien, Asthma, Rheuma und Bluthochdruck kann Psychotherapie hilfreich sein.
Wichtig ist mir zu erwähnen, dass es viel Mut braucht, eine Psychotherapie zu beginnen. Sie zeigen damit Stärke und Veränderungsbereitschaft. Das Gefühl von Schwäche kommt vielmehr aus dem Feststecken in den Symptomen. Und kann leider auch aus der immer noch vorhandenen gesellschaftlichen Stigmatisierung von Psychotherapie herkommen, die meiner Meinung nach mangelnder Kenntnis entspringt. Ich möchte Sie dazu ermutigen, sich auf psychotherapeutische Begleitung einzulassen, um sich ein eigenes Bild machen zu können.
Symptome sind das, was der Körper oder die Psyche uns zeigt. Sie fühlen sich oft falsch an und wahrscheinlich wollen Sie sie einfach nur weghaben und heil sein. Doch im psychotherapeutischen Prozess geht es genau darum zu verstehen, warum Ihre Symptome da sind. Symptome haben einen Sinn und eine Aufgabe. Und wenn wir diese erfassen, geschieht Heilung von allein.
Oft liegen hinter Symptomen unverarbeitete Traumata. „Trauma ist die am meisten vermiedene, ignorierte, verleugnete, missverstandene und unbehandelte Ursache menschlichen Leidens.” (Dr. Peter A. Levine). Fast alle psychischen Erkrankungen haben ihren Ursprung in massiven Verletzungen der Seele. Viele Traumata werden direkt verdrängt und treten später in Form von psychischen Erkrankungen oder somatischen (körperlichen) Erkrankungen mit psychischer Beteiligung auf. Die sich zeigenden Symptome können, wie eingangs als Beispiele beschrieben, viele Gesichter haben. In ihrem Kern steckt, als biologische Reaktion auf ein überforderndes Ereignis, eine im Nervensystem gebundene Ladung. Somit spielt unser autonomes Nervensystem eine verbindende Rolle zwischen Körper und Geist. Und die Fähigkeit zur Selbstregulation hat einen großen Einfluss auf die individuelle Verarbeitungskapazität.
Ein Trauma, eine „Wunde, Verletzung“ entsteht aus einer erlebten Handlungsohnmacht. Hervorgerufen wird diese durch Erlebnisse, bei denen die individuellen Verarbeitungsmöglichkeiten im Zustand von extremer Angst und Hilflosigkeit überfordert waren, die kurz gesagt "zu viel, zu groß und zu schnell" waren. Entscheidend dabei ist nicht das Ereignis selbst, sondern die individuelle Reaktion auf dieses Ereignis. Denn ein Trauma ist eine Körperreaktion, eine Verunsicherung im Nervensystem, und hinterlässt dort Spuren. Daher ist es so wichtig, körperliche Impulse und das autonome Nervensystem in den Behandlungsprozess mit einzubeziehen. In der Psychotherapie ist Trauma unterteilt in das akute Geschehen (Typ 1, Schock- oder Monotrauma genannt) und das chronische Geschehen (Typ 2, Entwicklungs-, oder Bindungstrauma genannt).
Ein Schocktrauma ist charakterisiert durch ein überwältigendes abgegrenztes Ereignis, das plötzlich und lebensbedrohlich über jemanden hereinbricht, wie beispielsweise ein schwerer Unfall, eine Vergewaltigung, oder eine Naturkatastrophe. Landläufig wird dies als „richtiges Trauma“ verstanden. Daraus kann sich eine PTBS (Posttraumatische Belastungsstörung) entwickeln.
Das chronische Geschehen durch Entwicklungstrauma jedoch, das viel subtiler wirkt, und weitaus weniger sichtbar ist, war lange Zeit kaum Thema der Traumaforschung. Gemeint sind hier körperliche oder sexualisierte Gewalt, sowie schwerer emotionaler Missbrauch, welche in der Kindheit durch Bezugspersonen geschehen sind. Auch nicht begleitete Überforderungen als kleines Kind, Vernachlässigung, emotionale Erpressung, Überversorgung oder starke Begrenzung durch die elterliche Erziehung, aber auch schwerwiegende Mobbingerfahrungen und finanzielle Armut können Traumareaktionen zur Folge haben. Diese Traumatisierungen sind so individuell wie komplex und bringen entsprechend komplexe Traumafolgestörungen mit sich. Im neuen Klassifikationssystem ICD-11 werden diese nun als KPTBS, als Komplexe Posttraumatische Belastungsstörung erstmals diagnostizierbar. Die daraus entstandenen Überlebensmuster sind sehr tiefgreifend. Mit Methoden aus der körper- und tiefenpsychologisch orientierten Traumatherapie machen wir uns ihrer bewusst, um sie umerleben zu können, und zwar in ihrer Ganzheitlichkeit, als Antworten des Körpers, der Kognition und der Emotion auf überfordernde Ereignisse. Ziel ist die Integration der traumatischen Erfahrungen in die eigene Biografie. Denn wenn Trauma integriert ist, verliert es seine Macht.